Warum gehen wir für die Netzneutralität auf die Strasse?

Das Internet hat die Gesellschaft revolutioniert. Schon heute geschieht ein Großteil der Kommunikation nur noch online. Und das ist kein Trend, sondern unausweichliche Zukunft.

Heute schon kann die Steuererklärung nur noch online abgegeben werden. Morgen wird Fernsehen und Radio nicht mehr ohne Breitband-Internetanschluss verfügbar sein. Übermorgen wird — wie heute schon in einigen Branchen — Arbeiten ohne Internet nicht mehr möglich sein.
Doch damit die Datenpakete, egal ob Steuererklärung, Blockbuster oder Geschäftskorrespondenz über die Leitung gehen, ist eines unerlässlich: die Netzneutralität.
Denn Netzneutralität bedeutet, dass alle Datenpakete, unabhängig davon, von wem sie an wen versendet werden und was sie beinhalten, gleich behandelt werden.
Klingt selbstverständlich, ist es aber nicht. In Deutschland — im Gegensatz zu einigen anderen europäischen Staaten, ist die Netzneutralität nicht gesetzlich garantiert. Und das gefährdet unsere Zukunft. Nicht nur meine, sondern auch Deine, selbst wenn Du das Internetz heute noch nur gelegentlich nutzt.
Diese Gesetzeslücke will nun die Deutsche Telekom ausnutzen. Und wenn der Marktführer damit anfängt, ziehen früher oder später die anderen nach. Denn wenn die Netzneutralität nicht beachtet werden muss, eröffnet das zusätzliche Einkommsquellen für die Netzbetreiber. Sie können nämlich für zahlungskräftige Kunden die Überholspur freischalten.
Wie funktioniert das?
Zu erst einmal muss der Netzanbieter die Übertragungskapazität (Bandbreite) zu einem begrenzten Gut machen — das ist die Drosselung. Denn nur wenn gebremst wird, macht die Überholspur Sinn.
Das hat die Telekom seit dem 2. Mai in ihre Verträge geschrieben. Da alle bestehenden Verträge irgendwann auslaufen, wird das etwa bis 2020 alle Telekom-Kunden betreffen.
Dann muss die Telekom nur noch den Firmen, die Angebote über das Internet anbieten, die Überholspur gegen Geld anbieten. Sie nennt das “Managed Service” und kassiert nun an beiden Seiten des Kabels ab.
Zukunft? Nein Gegenwart!
Schon heute macht die Telekom genau das im mobilen Internet. Nach ein paar Mega- oder Gigabyte ist die Flatrate nur noch eine Flachrate — trotzdem kann der Kunde weiterhin Spotify-Radio hören.
Aber Spotify schickt seine Daten auch über das Internet. Wer einen anderen Anbieter bevorzugt, schaut in die Röhre.
Und genau hier ist das Problem. Abschaffen der Netzneutralität macht den Internet-Zugang nicht nur  teurer, sondern auch ärmer, denn der kleine, neue Anbieter von richtig cooler Musik kann sich die Überholspur noch nicht leisten. Der bleibt im Stau stecken und Du als Nutzer kannst nicht mehr frei wählen.
Bei IPTV (Fernsehen über das Internet) ist Entertain, das Telekom-eigene Programm schon heute auf der Überholspur. Die ARD-Mediathek, iTunes, MaxDome oder WatchEver zahlen heute noch nicht, haben aber keine Überlebenschance ohne zu zahlen, wenn die Telekom damit durch kommt.
Aber die Kapazität….
Die Telekom behauptet, das sei nötig, weil die Kapazitäten zu gering seien. Das ist eine dreiste Schutzbehauptung, um das Wort Lüge nicht zu verwenden.
Die Leitung von Dir zum Telekom Verteiler teilst du mit niemandem. Da hat keiner einen Vorteil, wenn Du gedrosselt wirst.
Die Leitung vom Verteiler zum Backbone der Telekom teilst Du mit den anderen, die am Verteiler angeschlossen sind. Aber warum soll das am Monatsanfang (wenn alle noch ungedrosselt surfen) anders sein, als am Monatsende? Wenn die Kapazität da an die Grenzen stösst, dann eben unabhängig vom Tag.
Genauso auf dem Telekom Backbone. Wenn der zu schwach ist, dann kannst Du auch am Monatsanfang nicht full-speed surfen.
Bleibt der Übergabepunkt zu anderen Netzbetreibern, zum Beispiel der DeCIX in Frankfurt. Der hat aber Kapazitäten ohne Ende und wird laufend erweitert. Mal abgesehen davon, dass der am Monatsende auch nicht anders als am Monatsanfang funktioniert.
Große Anbieter, wie die Telekom, zahlen auch keine Roaming-Gebühren, denn sie empfangen viel mehr Daten, als sie senden.
Netzneutralität ist wichtig auch für Dich!
Deshab fordern die Piraten:
An die Telekom:
  • Die Telekom muss komplett von ihren Drosselungs-Plänen abrücken!
An die Regierung und die anderen Parteien
  • Netzneutralität  muss gesetzlich festgeschrieben und durch die Aufsichtsbehörden  durchgesetzt werden. Aufsichtsbehörden müssen dementsprechend auch  finanziell und mit Kompetenzen ausgestattet werden.
  • Der  Zugang zum Internet ist ein Grundrecht. Wie der Zugang zu sauberem  Trinkwasser, Elektrizität und das Recht, öffentliche Infrastruktur nutzen zu können, muss auch der Internetzugang mit ausreichender  Bandbreite gesetzlich verankert werden.
  • Wo Flatrate draufsteht, muss auch Flatrate drinstecken!
  • Dies gilt für alle Internetzugänge, also Festnetz, Mobilfunk, Satellit und zukünfitge Technologien.
Und wenn nicht?
Dann werden wir alle darunter leiden. Nicht kommerzielle Angebote werden zurückgedrängt, Innovationen werden gehemmt, zahlen werden alle.
Selbst wenn es Ausnahmen gibt, z.B. für die Steuererklärung (für die Einkommensteuer der Betriebe ist die komischerweise immer am Ende des Monats fällig) — das kann dann nur durch die sogenannte Deep-Packet-Inspektion reslisiert werden. Dann schaut der Anbieter in die Daten hinein, die übertragen werden. Gerade bei der Steuererklärung ist das ein Horror-Szenario.
Kostenlose Dienste werden zurückgehen — oder nicht mehr nutzbar sein.
Oder sollen wir einfach alle 3 Minuten einen Werbespot einblenden? Man muss ja auch mal auf die Toilette….

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