Ich will nicht, dass mein Stromversorger in mein Haus schaut.

Es ist eine Binsenweisheit, dass die Energiewende nicht alleine mit der Umstellung der Energieerzeugung auf erneuerbare Energien gestemmt werden kann. Die aktuelle Diskussion über die Strompreisbremse und die Umfragewerte bezüglich der Energiewende (viele finden es gut, wenige wollen mehr bezahlen) machen einmal mehr deutlich, dass wir beim Energieverbrauch deutlich effizienter werden müssen.

Neben Energiesparlampen, zunehmendem Einsatz von LED Technik, Haus-Umpuschelung und KfW-Programmen ist eine der Antworten die Smart-Meter-Technologie. Diese soll dafür sorgen, dass wir Verbraucher den Strom dann verbrauchen, wenn genug da ist und weniger, wenn er aufwendig erzeugt werden muss. Im Prinzip ist das eine tolle Idee. Die Waschmaschine soll laufen, wenn Windkrafträder und Solarzellen unsere Netze mit Elektronen (eigentlich Löchern) fluten.

Was mich stört ist der Umsetzungsansatz.

Der Plan ist, mit sogenannten Smart-Metern den Stromverbrauch zu jeder Sekunde genau zu messen, um variable Strompreise zu ermöglichen. Signale sollen dann der Waschmaschine sagen “Jetzt wäre eine gute Zeit, mal anzuspringen”.

Der Nachteil dieses Vorgehens ist, dass mein Stromversorger nicht nur mein Haus steuert, sondern auch genau weiss, was in meinen vier Wänden passiert: Versuche zeigen, dass anhand des Stromverbrauchs recht gut ermittelt werden kann, ob ich gerade Musikantenstadel oder die Politik-Sendung im Fernsehen verfolge. Ob ich während der Werbepause auf die Toilette gehe, oder diese ausblende und den Film stattdessen anhalte. Wann ich in’s Bett gehe und wann ich aufstehe. Ob ich heiss dusche oder oft bade. Wann jemand zu hause ist und wann nicht.

Neee, Kinder. So will ich das nicht.

Was ist die Alternative?

Nun, grob gesprochen habe ich folgende Idee: Gaaaaanz früher gab es mal Stromzähler, in die man eine Münze einwerfen musste, damit sie Strom durch liessen. So ähnlich kann das auch heute gemacht werden, nur dass es eben keine Münzen sind, sondern eine digitale Währung ähnlich BitCoins. In meiner Vorstellung enthalten diese “Token” ein Strom-Bezugsrecht.

“Gutschein über 1 KWh in der Zeit vom 4.9.2013 11:30 bis 12:30 von SolarStromXYZ”

Diese Token könnte ich mir klassisch (anonym) im Internetz kaufen, oder meine Waschmaschine macht das bei der Token-Börse meines Vertrauens, wenn ich den Start-Knopf drücke — basierend auf z.B. meinen Wünschen, dass die Kilowattstunde nicht mehr als 20 ct kosten soll, aber die Wäsche spätestens morgen früh um 08:00 Uhr fertig sein soll, auch wenn es teurer ist.

Der intelligente Stromzähler, in den ich dann das Token “einwerfe” (z.B. über die eh vorhandene Stromzufuhrleitung) leitet das dann an meinen Stromnetzbetreiber weiter — nachdem es “entwertet” wurde, d.h. die Information, wieviel nun auf diesem Token abgerechnet werden soll. Dieser gibt die gesammelten Token dann an die jeweiligen Strom-Produzenten, um abzurechnen.

Mein Stromnetzbetreiber muss nun nicht mehr wissen, wieviel Strom ich wann genau verbraucht habe, er muss nur seinem eigenen Stromzähler vertrauen, dass der die Tokens richtig belastet.

Der Stromnetzbetreiber weiss, wer ich bin, denn er brauchte ja eh die Adresse, um ein Kabel zu legen. Er muss nicht wissen, wieviel Strom ich insgesamt verbrauche, denn solange sein Stromzähler die Token richtig entwertet, ist es unerheblich, ob ich 1,5 kWh für 20 ct oder 1 kWh für 30 ct verbraucht habe. Er muss nicht in die Token reinschauen, um sie abzurechnen.

Mein Stromlieferant weiss zwar, wieviel Strom verbraucht wurde, aber nicht, wer ich bin, sofern ich anonym kaufe.

Wie wird verhindert, dass Token mehrfach benutzt werden? Also z.B. ich eine Kopie meines Token an alle meine Freunde verschicke und alle Waschmaschinen pünktlich um 11:30 los laufen?

Erstmal nicht. Aber wenn die Token dann von den Netzbetreibern an die Stromerzeuger weiter gegeben werden, können die natürlich feststellen, dass ein Token mehrfach eingereicht wurde. In diesem Fall verweigern sie die Zahlung an den Netzbetreiber, der dann mir einfach den Gegenwert des Tokens mit einem “Straffaktor” in Rechnung stellen kann. Das wirkt doppelt. Zum Einen werde ich einen Teufel tun mein Token weiterzugeben — zum Anderen auch kein “geschenktes” Token annehmen, denn es ist ja klar, dass mich das am Ende mehr kostet.

Das System hat noch ein paar Nebeneffekte, die auf die “Liberalisierung des Strommarktes” einzahlen:

Da ich die Stromerzeuger mischen kann — ich brauche ja keinen umfangreichen Stromliefervertrag mehr, sondern nur noch einen “kleinen” in dem Token verbrieften “Vertrag”, ist der Wechsel des Stromanbieters nicht mehr aufwendig — was immerhin heute dazu führt, dass ein großer Teil der Stromkunden noch bei ihrem lokalen Versorger sind.

Tokenproduzenten konkurrieren gegeneinander. Auf kleinster Ebene. Die vom EEG erzeugte Marktverzerrung durch garantierte Abnahme wird beseitigt — ich muss mir als Stromproduzent halt Gedanken machen, ob ich lieber eine Solarzelle auf’s Dach schnalle, oder ein Wasserrad in meinen Bach hänge.

Falls es politisch opportun erscheint, doch eine bestimmte Technologie zu fördern (weil z.B. der Standort Deutschland als Technologie-Vorreiter in der Mini-Wasserkraftwerk-Technologie gefördert werden soll) kann der Staat das immer noch tun, indem er direkt subventioniert oder sich bereit erklärt, Token aufzukaufen oder einzeln zu subventionieren.

Da jeder Stromproduzent seinen Strom selbst vermarkten kann (so wie ein Hofladen) wird die Macht der Stromproduzenten gestärkt. Genauso die der Konsumenten. Ich kann als Konsument z.B. entscheiden, ob ich lieber den Strom aus der Biogasanlage von Bauer Jupp aus dem Dorf für 22 ct kaufe oder den Demeter-Biostrom für 20ct (wo ich zwar weiss, dass er ökologisch ist, aber nicht, wo er her kommt), oder den aus tschechischen Atomkraftwerken importiert vom großen Konzern.

Die Gestaltung des Token-Inhalts kann sehr unterschiedlich sein. Z.B. eben die zeitlich begrenzten, vom Volumen festen Token, genauso aber z.B. ein Grundversorgungs-Token mit Gültigkeit 1 Monat und fixem Preis. Oder ein Grundversorgungs-Token mit variablem Preis abängig von der Uhrzeit. Oder, oder…

Man muss sich nur auf die Parameter einigen, damit die Stromzähler in der Lage sind, zu entscheiden, welches Token belastet wird und ob es belastbar ist.

Auch kann z.B. vereinbart werden, wie bei Token einer festen Kapazität eventuell übrig bleibende Kapazität (wenn die Waschmaschine halt nur 0,8 kWh verbraucht hat) behandelt wird. Verfällt sie oder wird sie über meinen Netzbetreiber rückvergütet?

Reguliert gehört der Markt auch. Es muss verhindert werden, dass jemand einfach alle Token für den 24.12. 18:00 Uhr aufkauft und dann die elektrischen Christbaumkerzen nur gegen horrende Preise leuchten. Aber da sind Mechanismen bekannt, wie man mit solchen Gefahren umgeht, sollten sie eintreten.

Wie könnte man ein solches System einführen gegen den Widerstand der Quasi-Monopolisten?

Stromzähler sind normiert. Solange die Norm eingehalten wird, ist der Hersteller unbedeutend. Da die Clearing-Stelle für die Token unabhängig vom Netzbetreiber sein kann, kann man eine Firma gründen, die diese Token abrechnet. Das läuft quasi genau so wie bisher mit anderen Stromlieferanten. Ob ich als Clearing-Stelle den Strom selber produziere oder ihn einkaufe, ist für das System irrelevant. (Entsprechende behördliche Genehmigungen vorausgesetzt)

Der Spezialzähler sieht also für den Netzbetreiber wie ein normaler dummer Zähler aus. Er holt sich den “Strom”, der verbraucht wird von der Clearing-Firma “wieder”. Diese wiederum holt sich vom Zähler die Token ab und verrechnet sie gegenüber den Stromproduzenten. Wir sind also gar nicht auf die Kooperation der Konzerne angewiesen, sofern sie unsere Token-Zähler akzeptieren (setzt ein Mess- und Eichprotokoll und eine Typprüfung gegen die Normen voraus).

Eine solche Clearing-Stelle könnte eine kommerzielle Firma sein, aber auch eine Genossenschaft z.B. einiger Energie-Produzenten und/oder Verbraucher).

Erstmal nur so ein Gedanke, ich würde mich über Widerspruch, konstruktive Anmerkungen etc. – aber auch über Zustimmung – freuen :-)

tl;dr;

Der Energieverbrauch muss dem Energie-Angebot besser angepasst werden. Aber bitte ohne Konzerne, die in mein Haus gucken können.

/tl;/dr;

 

 

 

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